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Der Kolben läuft im Zylinder auf und ab. Dabei muss er hohe Kräfte übertragen. Zusätzlich muss er zu allen Seiten hin für Dichtigkeit sorgen. Beides funktioniert nur, wenn sich der Kolben wirklich sauber im Zylinder bewegen kann. Dazu ist es wichtig, dass der Kolben von allen Seiten gut gestützt wird. Er sollte also fast genauso groß sein wie der Zylinder, damit er nicht hin und her kippelt.
Zu groß darf er aber auch nicht sein, denn ein bisschen Spiel muss sein. Immerhin soll der Kolben nicht im Zylinder feststecken. Hinzu kommt, dass wir noch einen kleinen Spalt zwischen Zylinder und Kolben brauchen, wo das lebenswichtige Öl ist.
Der Kolben muss also fast so groß sein wie der Zylinder, aber eben nicht genauso groß. In der Realität ist der Kolben daher einige hundertstel Millimeter kleiner als der Zylinder. Dies entspricht in etwa der dicke eines Haares!
Nun wird unser Motor im Betrieb allerdings warm. Wer in der Schule aufgepasst hat, wird schonmal etwas von Wärmeausdehnung gehört haben. Jedes Material dehnt sich aus, wenn es wärmer wird. Unser Kolben tut dies genauso. Dadurch wird unser Spalt zwischen Zylinder und Kolben immer schmaler. Zwar dehnt sich der Zylinder auch aus, aber naturgemäß langsamer, da er mehr Wärme abführt und bei unseren Vespas fast immer aus Stahl ist. Kolben sind aus Aluminium, welches sich bei gleicher Temperaturerhöhung schneller ausdehnt.
Umso heißer unser Motor also wird, umso enger wird es für den Kolben. Zunächst mal ist das aber garnicht schlimm, sogar gewollt! Denn unser Kolben soll ja bei Betriebstemperatur perfekt im Zylinder laufen. Daher haben die Ingenieure einen Trick angewandt: Sie haben den Kolben im kalten Zustand zu klein gemacht – Dadurch passt er perfekt, wenn der Motor warm ist!
Wenn der Motor zu heißt wird, kehrt sich die ganze Sache aber ins Negative um. Der Kolben wird dann zu groß, verdrängt die lebenswichtige Ölschicht und beginnt, an der Zylinderwand zu reiben. Ab jetzt wirds kritisch.
Berührt der Kolben erstmal mit Gewalt die Zylinderwand, entsteht erst recht Hitze. Das schmierende Öl ist nun weg und die Reibung zwischen Kolben und Zylinder nimmt schlagartig zu. Reibung erzeugt Wärme und Wärme erzeugt Ausdehnung. Jeder wird den Teufelskreis hier erkennen. Ab jetzt hängt alles vom Glück und von der Reaktion ab.
Sobald der Kolben seine kritische Temperatur überschritten hat und am Zylinder reibt, müssen wir möglichst schnell dafür sorgen, dass der Motor aus ist. Jede Umdrehung sorgt dafür, dass der Kolben sich weiter zerstört. Man sollte also sofort die Kupplung ziehen. Der Motor wird dann vermutlich schon von alleine stehen bleiben aufgrund der hohen Innenreibung.
Je nachdem wieviel Glück und Reaktion man hat, sind die Schäden geringer oder größer. Wenn man Glück hat, bleibt der Kolben nur stecken (Kolbenstecker). Dann lässt man den Motor kurz abkühlen und kann weiter fahren. Die Schäden am Kolben sind gering.
Wer etwas mehr Pech hat wird seinen Kolben eventuell tauschen müssen (Kolbenreiber), da die Kolbenringe und Ringnuten zu sehr verschlissen sind. Der Zylinder ist aber intakt geblieben (weil er härter ist dank Gusseisen). Man sollte einen Zylinder zwar trotzdem nachhonen (ausschleifen), allerdings zeigt die Praxis, dass ein Gusseisen Zylinder recht viel aushält und man teilweise den Kolben einfach ersetzen kann (Die Höchstleistung wird aber vermutlich etwas niedriger sein bei Kolben zwei).
Wen es ganz heftig erwischt, der hat Zylinder, Kolben und eventuell noch weiteres zerstört. Es kann passieren, dass der zu große Kolben in einem Kanal hängen bleibt. Dies zerstört dann meistens den Zylinder und erst recht den Kolben. Die Belastung für die Motorteile ist enorm und nicht selten ist auch die Kurbelwelle danach defekt (Keilnut ausgeschlagen).
Man ist gut beraten, einen Kolbenstecker o.Ä. zu vermeiden. Typischerweise treten solche Schäden bei neuen Zylindern auf, die noch nicht eingefahren sind. Beachtet daher unsere Einfahranleitung gut. Auch falsch abgestimmt Vergaser und zu Mageres Gemisch können zu solchen Problemen führen. Der Zündzeitpunkt und die Zündkerze haben auch einen wichtigen Einfluss. Beachtet diese Punkte und stellt euren Motor korrekt ein – dann kann eigentlich nichts passieren